Dienstag, 10. Februar 2009

Kathrine Kressmann Taylor: "Adressat unbekannt"


Erschienen als gebundene Ausgabe bei Hoffmann und Campe (2000) und als Taschenbuch bei Rowohlt (2005).

Dieses kleine, unscheinbare Buch mit mausgrauer Einbandgestaltung kommt beim ersten Eindruck eher unspektakulär daher. Nach kurzer Überlistung meiner Intuition, welche beim Blick auf das Layout spontan „Stell es wieder ins Regal!“ schrie, war ich doch über alle Maße von diesem kleinen Büchlein begeistert.
New York 1932/33. Den in Amerika lebenden Max und seinen guten Freund Martin verbinden die Liebe zur Kunst und der Handel mit dersel-igen. Martin entschließt sich jedoch aus familiären Gründen dazu, nach Deutschland auszuwandern. Um die Freundschaft aufrecht zu erhalten,schreiben sich die Männer Briefe, welche von Ehrlichkeit und intensiver Verbundenheit geprägt sind. Als Hitler in Deutschland an die Macht kommt, werden Martins Briefe immer stärker von nationalsozialistischem Gedankengut durchsetzt. Sein jüdischer Freund Max erfährt Abneigung und unpersönliche Schreiben. Er bittet Martin trotzdem darum, seine als Schauspielerin in Deutschland arbeitende Schwester aufzunehmen. Dieser jedoch fürchtet um seine Existenz und schickt die Schwester seines einst besten Freundes in die Klauen der Exekutive des Dritten Reiches undsomit gleichbedeutend in den Tod. Die Rache des trauernden Bruders und ehemaligen Geschäftspartners Max lässt nicht lange auf sich warten...
„Adressat unbekannt“ ist nicht nur eine weitere Geschichte einer ameri-kanisch-deutschen Freundschaft oder einer protestantisch-jüdischen Ver-bindung zwischen zwei Männern zur Zeit des Dritten Reiches. Eine so hohe Authentizität und auf so wenigen Seiten prägnant dargestellte Handlung habe ich in anderen Romanen zum Thema selten erlebt. Verblüffend ist vor allem der Entstehungshintergrund dieses fiktiven Briefwechsels, denn die Autorin veröffentlichte ihn bereits 1938 als Fortsetzungsgeschichte in einer amerikanischen Zeitschrift. Mit viel Weitsicht und Wortgewandtheit gelang es ihr aus der Distanz bereits recht früh, die Ereignisse in Nazideutschland klar zu erfassen und die Folgen auf politischer und zwischenmenschlicher Ebene vorauszusehen. Mit diesem Werk hat sie die Geschehnisse in Deutschland gekonnt literarisch verpackt und für ihre Landsleute zugänglich gemacht. Gerade dieses Maß an Zugänglichkeit macht das Buch heute noch äußerst lesenswert.

Quelle des Buchcovers: www.amazon.de

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